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Sanduhr, Geschichte der (Teil 2)
Einsatzgebiete der Sanduhren (Fortsezung)
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- Ihre wohl größte Bedeutung erlangte die Sanduhr in der Seefahrt.
Schon bald nach ihrer Erfindung kam sie auf See zum Einsatz. In den Schiffspapieren der "George" ist eine Quittung über zwölf "glass horloes" erhalten, welche 1345 in der flandrischen Hafenstadt Sluis gekauft wurden.
Während der großen Entdeckungsfahrten richtete sich der Dienst auf den Segelschiffen nach Sanduhren. Die Borduhr wurde Glas genannt und lief eine halbe Stunde. Acht Glasen waren vier Stunden = eine Wache. Die halbe Stunde wurde mit einem einfachen, die vollen Stunden mit einem Doppelschlag an der Schiffsglocke angeschlagen. Acht Glasen -vier Doppelschläge- bedeuteten das Ende der Wache.
Kolumbus führte eine Menge Halbstundengläser "ampolettas" genannt mit. In seinem Bordbuch notiert er unter dem 13. Dezember 1492, dass sich die Sanduhr von Sonne zu Sonne zwanzig mal entleerte, er maß also eine zehnstündige Nacht.
Um 1600 zählte der Mathematiker Jon Dee zur Ausrüstung von Schiffen Sanduhren mit einer Laufzeit von einer halben, einer und drei Stunden. Gefechtsberichte über die Schiffstreffen sind bis zum 19. Jahrhundert von Sanduhrzeiten erfüllt. Das Gefecht auf Lake Champlain 1776 dauerte nach Arnolds in einem in der Geschichte der Royal Navy abgedrucktem Bericht "fünf Sanduhren", also zwei und eine halbe Stunde lang. Der bekannte holländische Entdecker und Seefahrer Barents soll eine 12 Stunden Sanduhr auf seinen Seereisen mitgeführt haben.
Es ist aber auch sehr interessant zu wissen, wie genau die Sanduhr ihren Dienst als Zeitmesser versah. 1703 wurde ein aus fünf Schiffen bestehendes französisches Geschwader vor Spitzbergen vom Nebel überrascht. Neun Tage lang war die Sonne nicht sichtbar, und so weit nördlich konnte man den Tag nicht von der Nacht unterscheiden. Zur Zeitmessung standen lediglich Sanduhren zur Verfügung. Als der Nebel sich zerstreute, stellte man fest, dass die mit Hilfe der Sanduhren gemessene Zeit um elf Stunden von der wahren Zeit abwich. Dies entspricht je umgewendeten Halbstundenglas einer Zeitdifferenz von 1 und 1/2 min. Durch das Schwanken des Schiffes litten offenbar die Sanduhren sehr in ihrer Ganggenauigkeit.
Der Seefahrer Joáo de Castro ( ein Zeitgenosse von Kolumbus) versuchte für astronomische Beobachtungen eine Übereinstimmung von Sand- und Sonnenuhren zu erzielen, indem er einen Tisch so waagerecht wie möglich aufhängen ließ. Allerdings war der Erfolg gering, die der Sonnenuhr am nächsten kommende Sanduhr ging eine 1/4 Stunde vor.
Eine französische Schiffssanduhr aus der Zeit um 1820 zeigt, dass dieser Zeitmesser, wenn auch mit untergeordneter Bedeutung, noch im 19. Jahrhundert zum Einsatz kam. Über einen Zeitraum von mehr als 400 Jahren ist die Sanduhr auf See benutzt worden. Das verdankt sie sicherlich nicht ihren guten Gangergebnissen. Die Gründe hierfür sind vor allem der günstige Preis im Verhältnis zum mechanischen Zeitmesser, die Wetterfestigkeit und die relativ geringe Störanfälligkeit.
- Zum Messen der Schiffsgeschwindigkeit leistete die Sanduhr ebenfalls lange Zeit unentbehrliche Dienste.
In einem Reisejournal der Magellanschen Weltumsegelung wird die früheste Anwendung des Loggens niedergelegt, ohne jedoch die Hilfsmittel zu beschreiben. Erstmals wird das Logglas 1607 erwähnt. Es kamen Sanduhren mit einer Laufzeit von 14 oder auch 28 Sekunden zum Einsatz. Das Handlog besteht aus einem Logscheit, welches am Achterschiff ins Wasser geworfen wird. Es ist mit Blei beschwert, damit es aufrecht schwimmt und dem Wasserdruck ausgesetzt ist. An ihm ist die Logleine befestigt, deren anderes Ende auf der Logrolle aufgewickelt ist. Zwei Personen halten die Logrolle, eine dritte die Loguhr und lässt die Logleine durch seine andere Hand gleiten. Sobald die Nullmarke durch die Hand läuft, wird die Sanduhr umgedreht und nach 14 Sekunden die Logleine gestoppt. Auf der Logleine sind im Abstand von 14 Meridiantertien (etwa 7 Meter) Knoten angebracht. Ein Knoten entspricht einer Seemeile pro Stunde und ist noch heute das Maß für die Schiffsgeschwindigkeit.
- Die Sanduhr fand ihren Einsatz in vielen Bereichen der Öffentlichkeit und Wirtschaft.
Der Gebrauch von Sanduhren zur Bemessung der Redezeit wird des Öfteren beschrieben. In der französischen Nationalversammlung von 1789 waren Sandgläser in Gebrauch. Während der Diskussion über die Menschenrechte herrschte eine solche Redefreudigkeit, dass ein Abgeordneter beantragte, die Laufdauer des Sandes auf fünf Minuten herabzusetzen. M. Engelmann berichtet 1925 über die Redezeituhr des Breslauer Rathauses aus dem 17. Jh. in deren Mittelteil sich eine viergläsrige Sanduhr befindet. Im Gerichtssaal von Mons begleitete das Rieseln einer viergläsrigen Sanduhr noch 1850 die Plädoyers. Bis zum Jahre 1951 wurden im englischen Unterhaus die Abgeordneten zur Abstimmung durch eine Glocke zusammengerufen, die solange läutete, wie eine auf dem Tische des Präsidenten stehende Zweiminutensanduhr lief.
- Auch der Gebrauch beim Lehren und Studieren hat eine lange Tradition.
Im Mercure Galant vom Oktober 1678 findet sich die Bemerkung: "Es gibt nur wenige Studierzimmer, wo die Sanduhr nicht in Gebrauch wäre." Theodor Fontane sagt in "Frau Jenny Treibel" um den Respekt zu kennzeichnen, den ein Lehrer genoss: "Wenn er in die Klasse trat, so hörte man den Sand durch das Stundenglas fallen." und Dr. Walter Künzel berichtet: Ich entsinne mich noch gut an die Sanduhr, die im badischen Referendar- Examen auf dem Tische stand, hinter dem die Prüfenden und vor dem die Kandidaten saßen. In sechs Abteilungen zu je zwanzig Minuten wurde geprüft. Es kam nicht selten vor, dass der Kandidat keine Antwort mehr zu geben brauchte, weil mit der Formulierung der Frage durch den Prüfenden auch das letzte Sandkorn in das untere Glas gefallen war.
- In der Industrie hielt die Sanduhr schon frühzeitig ihren Einzug.
Ein Stich dem Jahre 1548 zeigt einen Töpfermeister vor dem Ofen sitzend, neben ihm auf dem Hocker steht die Sanduhr mit der er die Brenndauer kontrolliert. Auch in Bereichen in denen Flüssigkeiten und Dämpfe auftraten war sie ein brauchbarer Zeitmesser. Darstellungen der Labororatorien der Alchimisten zeigen immer wieder die Sanduhr. Bis in unser Jahrhundert hinein wurden Sanduhren bei Arbeiten eingesetzt bei denen Metall angegriffen wurde, wie zum Beispiel beim Abfüllen von Säuren.
- Mit der Erfindung des Telefons fand die Sanduhr ein weiteres Einsatzgebiet.
Am Ende des 19. Jahrhunderts waren im Berliner Hauptfernsprechamt neunzig Sanduhren zum Messen der Dreiminutengespräche in Gebrauch.
- Wissenschaftliche Expeditionen bedienten sich ebenfalls der Sanduhr.
Im Jahre 1660 wurde im Auftrage der Royal Society in London eine Forschungsreise auf den Pic von Teneriffa unternommen. Punkt vier der Aufgabenstellungen war: "Mit Hilfe einer Sanduhr erkunden ob eine Pendeluhr auf dem Gipfel langsamer oder schneller als unten geht." 1877 wurde in Deutschland ein Botaniker- Systemstockes patentiert. Er beherbergt eine fünf-Minuten-Sanduhr.
- In der Medizin war die Dosierung von Heilbädern und Bestrahlungen mittels Sanduhr lange Zeit durchaus üblich.
Heute noch oder besser wieder findet man in fast jeder Sauna diesen temperatur-unempfindlichen Zeitmesser. Auch ist der Gebrauch als Hilfsmittel zur Pulsmessung nach wie vor aktuell.
Diese bis hier genannten 12 verschiedenen Einsatzgebiete der Sanduhr haben eine nicht geringe Bedeutung.
Das Einsatzgebiet, welches heute oftmals der Sanduhr den Namen Eieruhr einbringt, das Eierkochen - also der Einsatz in der Küche - soll hier nicht unerwähnt bleiben. Es gibt Küchensanduhren die auf drei, vier oder fünf Minuten einstellbar sind und nach Ablauf umkippen, wobei der Klöppel an eine Glocke schlägt. Sand-(Eier)uhren gibt es heute in vielen verschiedenen Ausführungen zu kaufen. Eine Durchsicht der englischen Patent-Literatur zeigt, dass es ca. 21 Patente für Sanduhren und Geräte, die nach dem Sanduhr-Prinzip arbeiten, gab. Viele von ihnen betreffen das Kochen von Eiern. Unabhängig der technischen Entwicklung blieb die Sanduhr in der Küche durch die Jahrhunderte hindurch in Gebrauch und sorgte so dafür, dass es nur wenige Menschen gibt, denen dieser Zeitmesser unbekannt ist.
Weiter zu Teil 3 >>>>>
Quelle: Lothar Hasselmeyer, Dresden
Siehe auch: [Badeuhr] [Eieruhr] [Elementaruhr] [Glas] [Glasenuhr] [Kanzeluhr] [Log] [Log-Uhren] [Logleine] [Sanduhr] [Sanduhr, Geschichte der (Teil 1)] [Sanduhr, Geschichte der (Teil 3)] [Sanduhrmacher]
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