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Geozentrisches Zifferblatt
Für astronomische Kunstuhren des Mittelalters geschaffenes Zifferblatt zur Darstellung von vermuteten Vorgängen am Himmel. In der ältesten Vorstellung der Menschen stand die Erde im Mittelpunkt, der Himmel wölbte sich als Halbkugel darüber. Bei der Erklärung der Planetenbahnen am Himmel traten jedoch Schwierigkeiten auf infolge deren zeitweiser Rückläufigkeit. Die zur Erklärung herangezogene Epizykeltheorie bestand schon vor HIPPARCH, sie wurde von ihm und später von PTOLEMÄUS weiter ausgearbeitet. Sie befriedigte jedoch niemals ganz, so dass selbst BRAHE und auch KEPLER sie nur anfangs benutzten; für den Mond gab es sogar Epi-Epizykeln.
Auf dem Zifferblatt (siehe Abbildung) astronomischer Uhren mit geozentrisches Zifferblatt laufen Sonne und Mond täglich auf kreisförmigen Bahnen, so dass Aufgang, Kulmination und Untergang unter den Horizont beobachtet werden können. Das geozentrisches Zifferblatt stellt ein Abbild der Welt dar, der Himmel ist oben, die Nacht unten unter dem Horizont; nur ist der Horizont keine gerade, sondern eine sichelförmige Linie, da der Sonnenaufgang im Sommer sehr früh, im Winter dagegen spät liegt.
Der Sonnenaufgangspunkt im Sommer, auf den die Horizontlinie hinweist, zeigt daher an, für welche geografische Breite das Zifferblatt konstruiert worden ist. Weiterhin sind sieben Kreise für die zwölf Tierkreissternbilder vorhanden, auf denen die Sonne an dem Tage entlang zieht, an dem sie in das Sternbild eingetreten ist: so schneidet die Tierkreislinie für den Widder (21. März) und die Waage (23. September) die waagerechte 6- bis 18-Uhr-Linie zu diesen beiden Uhrzeiten, weil die Sonne an diesen beiden Tagen um 6 h auf- und um 18 h untergeht.
Der dritte Zeiger trägt einen exzentrischen Tierkreisring. Die Punkte, wo sich Sonne und Mond täglich befinden, werden durch den Schnitt der beiden Zeiger mit dem Tierkreisring angegeben. Da alle drei Zeiger täglich einmal umlaufen, verändern sich die Orte für Sonne und Mond äußerst langsam; der Sonnenort wandert in 30 Tagen durch ein Sternbild, so dass der Tierkreisring gleichzeitig einen Jahreskalender darbietet; der Ort des Mondes wandert etwas schneller, täglich fast ein halbes Sternbild, so dass der Mondzeiger nach 29½ Tagen wieder dieselbe Stellung zum Sonnenzeiger einnimmt und an seiner Spitze mit einer kleinen Mondkugel (halb weiß - halb schwarz) dieselbe Mordphase anzeigt.
Beispiele für astronomische Uhren mit geozentrisches Zifferblatt sind:
- Stralsund, Nikolaikirche, übergeben 6. 12. 1394 von NIKOLAUS LILLIENFELD (oder SÜLVENFELD); Werk original erhalten; geht seit 1525 (Bildersturm) nicht mehr; einzige Uhr mit vollständiger Signierung und dem Bild des Erbauers, also dem ältesten Bild eines Uhrmachers;
- Bad Doberan, Münster, nur noch das Zifferblatt vorhanden;
- Lund (Schweden), Dom, 1380 (?), Werk wurde 1923 von WÄHLIN und BERTRAM-LARSEN neu gebaut;
- Prag, Altstädter Rathaus, 1419 von POHL erbaut, von HAINZ und HOLUB 1865 restauriert;
- Lübeck, Marienkirche, 1405, 1942 zerstört; eine neue Uhr wurde 1967 von BEHRENS heliozentrisch und modern gebaut.
Die Zifferblätter der drei erstgenannten Uhren stimmen vollständig überein.
Siehe Kunstuhr, Monumentaluhr, Ptolemäus, Claudius, Brahe, Tycho, Tierkreissternbilder, Prager Rathausuhr, heliozentrisches Zifferblatt, Lübecker Kunstuhr, Kepler, Johannes.
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Alternativen: [2]
Siehe auch: [Brahe, Tycho] [geozentrisch] [heliozentrisches Zifferblatt] [Kepler, Johannes] [Kunstuhr] [Lübecker Kunstuhr] [Monumentaluhr] [Prager Rathausuhr] [Ptolemäus, Claudius] [Tierkreissternbilder] [Zifferblatt]
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