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Fraunhofer, Joseph von
Geboren am 6. März 1787 als der Sohn eines armen Glasers, sollte er schon sehr früh dessen Handwerk erlernen und musste den Schulbesuch vernachlässigen, um durch Arbeit die Armut der Eltern zu lindern. In seinem 11. Jahre bereits eine Doppelwaise und ganz mittellos, ward er vom Vormund im August 1799 nach München zum Hofspiegelschleifer Weichselberger als Lehrjunge, weil er kein Lehrgeld zahlen konnte, gegen sechsjährige Lehrzeit gebracht, ohne Lohn und mit den Verrichtungen einer Magd und eines Handlangers; nicht einmal die Feiertagsschule ließ der Meister den der Elementargegenstände gänzlich Unkundigen regelmäßig besuchen. Dass der arme Knabe, dessen selbstschöpferische Geisteskraft und feines Beobachtungstalent sich rasch entfaltete, die Last dieses harten Drucks schwer fühlte, erhellt klar aus der freudigen Eile, mit der er sich der Mittel, welche ein wunderbares Ereignis ihm plötzlich darbot, bediente, der drückenden Frohne seines handwerksgesinnten Zunftherrn sich zu entledigen.
Keiner geringen äußeren Einwirkung schien es zu bedürfen, die geniale Tätigkeit zu wecken und der Welt sie zu' offenbaren, als einer erschütternden Katastrophe, die Fraunhofer's Leben in die höchste Gefahr setzte. Am 21. Juli 1801 stürzte nämlich - ein verhängnisvolles Geschick ! -- im Tiereckgässchen nächst der Domkirche das Haus seines Lehrherrn plötzlich zusammen, so dass Fraunhofer sich nicht mehr retten konnte und verschüttet wurde. Herzhaften Männern gelang es nach vierstündiger höchst gefährlicher Anstrengung, ihn ohne erhebliche Verletzung an's Tageslicht zu bringen. Kurfürst Maximilian selbst nahm sich seiner an, beschenkte ihn mit 18 Dukaten und übergab ihn zur ferneren Obhut dem Kammerrat von Utzschneider, der in dem Knaben einen regen, feinen Geist und einen glühenden Lerneifer kennen lernte, Eigenschaften, die allein schon den edlen Mann bewogen hätten, seinem Schützling ein warmer Gönner zu sein. Das Bewusstsein des mächtigen Schutzes erlaubte dem Knaben, gründlich zu lernen, was er zur Realisierung seines höchsten Wunsches nötig hatte; sein Ideal war freilich nur, ein guter Brillenmacher zu werden, das er zunächst durch die von seinem Fürsten geschenkte Summe zu erreichen hoffte.
Er ließ sich eine Glasschneidemaschine machen, um an Feiertagen optische Gläser zu schleifen, konnte aber die Schwierigkeiten, die sich ihm wegen Unkenntnis der Theorie und der Mathematik ent-gegenstellten, nicht bewältigen. Als Utzschneider ihm Bücher über Mathematik und Optik verschafft hatte, suchte er sich von Neuem zu seinem Ziele durchzukämpfen: doch andere, kaum zu umgehende Hindernisse boten sich in dem beschränkten Gewerbsgeiste seines Lehrherrn dar, der nicht begreifen konnte, wie der Lehrling mehr wissen dürfe, als der Meister, und daher jenem streng verbot, sich mit den unnützen Büchern zu befassen oder in dem fensterlosem Schlafzimmer ein Licht zu brennen. Doch des Jünglings Geist kannte in seinem Fluge kein Hemmnis mehr. In den wenigen Freistunden der Feiertage flüchtete er aus dem bücherfeindlichen Horizonte seines Meisters mit Klügel's Optik und anderen Werken unter dem Arme hinter eine Hecke auf die Wiese vor dem Karlstore, wo jetzt der botanische Garten und der Glaspalast steht (Stand 1902) - dort war seine geistige Palästra.
Gleichwohl mangelten ihm noch immer fast alle Elementarkenntnisse der Schule, und Jeder, den er fragte, sprach ihm alle Hoffnung, sein Ziel zu erreichen, ab. Noch im Jahre 1805, also in seinem 18. Lebensjahre, besuchte er die Feiertagsschule, aber ohne glänzenden Erfolg, und doch machte er schon 9 Jahre später Epoche in der Geschichte der Optik, und nach weiteren 3 Jahren war er Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Dass Fraunhofer überall den Weg sich selbst bahnte, erkennt man recht deutlich auch daraus, dass er mit einem Teile der achtzehn Dukaten seinem Herrn das letzte Halbjahr der Lehrzeit abkaufte, um besser studieren zu können, während er seinen Lebensunterhalt sich durch Anfertigung von Visitenkarten, deren Absatz jedoch die kriegerischen Zeiten verhinderten, zu erwerben trachtete. Er ward also wieder ein recht dürftiger Spiegelschleifer und wohl schwerlich dürfte er sich trotz seiner Tatkraft je empor gearbeitet haben, wenn nicht sein Genius noch zur rechten Zeit sich seiner angenommen hätte und den Professor Schiegg ihm zugesendet hätte, der ihn in das optische Institut aufnahm, wo er bald die Verheißungen, mit denen ihn Reichenbach auf der Schwelle desselben begrüßt hatte, rühmlich erfüllte. Seltsame Fügung des Schicksals!
Das optische Institut verdankte seine Gründung einer Forderung der französischen Konsularregierung (merkwürdiger Weise kurz vor der Verschüttung Fraunhofer's) zur Herstellung einer militärisch-topo-graphischen Karte von Bayern, um das Land genau zu vermessen. Da es an geeigneten Instrumenten hierzu fehlte, gründete Utzschneider mit Reichenbach und Liebherr das mechanisch-optische Institut, das somit auf französische Veranlassung die Wiege deutschen Ruhmes in der praktischen Optik und Astronomie geworden. Ein Jahr nach Fraunhofer's Eintritt in's Institut verlegte Utzschneider den optischen Teil desselben nach Benediktbeuren und gründete daselbst am 7. Februar 1809 ein eigenes optisches Institut: Utzschneider, Reichenbach und Fraunhofer. Der Letztere wurde dazu bestimmt, den optischen Teil in seiner ganzen Ausdehnung unter seine Aufsicht zu nehmen - und von da an beginnt seine in der Geschichte der Optik und messenden Astronomie epochemachende Wirksamkeit, welche mittelbar das Newton'sehe Gravitationsgesetz auch außerhalb unseres Sonnensystems geltend nachgewiesen hat.
Schon im Jahre 1807 schrieb Fraunhofer eine Abhandlung über die Abweichung der Achse bei Teleskopspiegeln, worin er zeigt, dass die hyperbolischen Spiegel den parabolischen vorzuziehen seien, und teilte gleichzeitig die Erfindung einer Maschine mit, durch welche nicht nur die Flächen hyperbolischer Segmente, sondern auch andere geschliffen werden können. Doch erlaubte der große Mangel an Gläsern ihm keine längere Beschäftigung mit der Katoptrik, und er sah sich einzig und allein auf die Dioptrik hingewiesen, worin zwar Dolland schon Treffliches geleistet, besonders in Bezug auf Achromasie, die erwünschte Vollkommenheit aber noch lange nicht erreicht hatte; denn
1) war die große Schwierigkeit in der praktischen Optik, sphärische Flächen großer Objektive der Theorie gehnau entsprechend zu polieren, noch nicht überwunden;
2) fehlte noch die genaue. Kenntnis der Größen, welche bei der Berechnung achromatischer Objektive als genau bekannt vorausgesetzt werden müssen, d.h. der Exponenten der Brechungs- und Farbenzerstreuungsverhältnise der Glasarten und
3) war das Problem, homogenes Glas ganz zu bereiten, noch ungelöst.
Diesen Mängeln und Bedürfnissen abzuhelfen, war eine Aufgabe, groß und schwierig, wie nur je eine der genialen Forschung und höheren Technik gestellt worden ist; sie war von der Lösung einer langen Reihe von Problemen, technischen und mathematischen, abhängig, die Fraunhofer durch eine ingeniöse Vereinigung der praktischen und wissenschaftlichen Seite, wenn auch mühevoll, doch auf das Befriedigendste erreichte. Die unter 1) benannte Schwierigkeit hob er durch Erfindung einer ganz eigentümlichen Poliermaschine (1811). Um den unter 2) erwähnten Mangel abzuhelfen, versuchte er die Brechungsexponenten jeder Farbe des Spektrums auf's Genaueste zu bestimmen, um daraus das Farbenzerstreuungsvermögen, und aus diesem letzteren erst das Verhältnis der Brennweiten der Linsen des achromatischen Objektivs feststellen zu können. Da dies wegen der verschwimmenden Grenzen der einzelnen Farben unmöglich war, erfand er einen sinnreichen Apparat, jede Farbe gesondert zu erhalten, und entdeckte bei diesen Versuchen die fixe, helle, gelbe Doppellinie im Orange des Spektrums einer Ölflamme, mittelst welcher Linie er nachher das absolute Brechungsvermögen der verschiedenen Materien bestimmte.
Unmittelbar hieran knüpfte er seine Versuche, zu erfahren, ob das Spektrum vom Sonnenlichte dieselbe helle Linie im Orange enthalte, wie das vom Lichte des Feuers. Da fand er aber etwas ganz Anderes, als was er suchte; er machte nämlich die für die praktische Optik unschätzbare Entdeckung, dass das Sonnenspektrum unzählige dunkle, fixe Vertikallinien zeigt; von nun an dienten ihm zur genauesten Bestimmung der Brechungsexperimente diese Linien, indem er die Abstände der ausgezeichnetsten mit dem Theodoliten bestimmte und daraus die Gesetze der Modifikation des Lichtes durch Brechung und Ablenkung entwickelte. Diese epochemachende Entdeckung legte er in den Denkschriften der Akademie d. W. Bd. V. 1814/15 nieder, wofür ihn dieselbe zwei Jahre später zu ihrem Mitgliede ernannte. Was endlich den unter 3) berührten Punkt betrifft, so gelang es der ungewöhnlich technischen Geschicklichkeit und dem erfinderischem Geiste Fraunhofer's, freilich erst nach manchen misslungenen Versuchen, homogenes, von Wellen und Streifen gänzlich freies Flint- und Crownglas im Großen (Schmelzen zu 400 Pfd.) herzustellen; denn weder das englische und französische Flintglas, noch das englische Crownglas war ein vollkommen gleichartiges, und zwar noch weit weniger als das von Guinand allein bis zum Jahre 1811 in Benediktbeuren Geschmolzene.
Von besonderer Wichtigkeit erschienen Fraunhofer die Bewegungsphänomene des Lichtes, deren Gesetze vor ihm noch unvollkommen bekannt waren, worüber er im 8. Bande der Denkschriften der Akademie d. W. und in Gilbert's Analen Band 74 mehrere gelehrte Abhandlungen veröffentlichte. Die Akademie in München ernannte ihn dieses Mal dafür im Jahre 1823 zum Konservator des physikalischen Kabinets. Auf die Gesetze der Brechung der Lichtstrahlen führte er auch die Phänomene der Höfe und Nebensonnen in scharfsinniger Weise zurück.
Als das optische Institut im Jahre 1819 von Benediktbeuren nach München übersiedelte, hatte Fraunhofer bereits ein Jahr lang die gesamte Leitung aller Teile desselben übernommen, und er lieferte nun jene berühmten Instrumente, die bestimmt waren, eine neue Ära für die messende Astronomie zu begründen. Was Fraunhofer für die messende Astronomie durch die parallaktische Aufstellung seiner Instrumente, sowie durch deren Philarmikrometer (bei unmittelbarer Messung des zehnten Teiles einer Bogensekunde) geleistet, das wissen praktische Astronomen allein vollständig zu würdigen. In seinem Privatleben bekundete dieser ruhmreiche Entdecker die äußerste Einfachheit und Mäßigkeit, die reinste Sittlichkeit und einen edlen Charakter; aber sein Körper war oft kränkelnd, und ob er gleich mutigen Herzens dagegen ankämpfte, erlag er doch am 7. Juni 1826 einem gastrisch-nervösen Fieber im noch nicht erreichten vierzigsten Lebensjahr.
Siehe auch: [Astronomie] [Helioskop] [Heliostat] [Observatorium] [Teleskop]
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